„Sozialdarwinismus trifft auf entschiedenen Widerstand der SPD“

Veröffentlicht am 28.04.2011 in Bundespolitik

Thilo Sarrazin hat sich von den in seinem Buch formulierten Thesen distanziert. Darum wurde das Verfahren für einen Parteiausschluss eingestellt. Eine richtige Entscheidung, sagt Sigmar Gabriel. Eine Wiederbelebung des Sozialdarwinismus werde aber auch in Zukunft in der SPD auf entschiedenen Widerstand treffen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die Entscheidung für die Einstellung des Parteiordnungsverfahrens gegen den ehemaligen Berliner Finanzsenator und Bundesbanker, Thilo Sarrazin, verteidigt. Sarrazin habe mit seiner Erklärung in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass er in seinem Buch einer „unseligen Verbindung des Genetischen mit dem Sozialen“ nicht das Wort habe reden wollen, sagte Gabriel im Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ (Donnerstag).

Die Schiedskommission habe darum keine Grundlage mehr für einen Parteiausschluss gesehen. Der Überzeugung seien dann auch die Antragsteller in dem Verfahren gefolgt. Dass aber angesichts des Wortlauts seines Buches Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Erklärung bestehen können, räumte der SPD-Vorsitzende ein: „Jetzt wird die Zeit zeigen, ob diese Brücke zwischen Thilo Sarrazin und der SPD trägt.“

„Niemand darf so fahrlässig und geschichtslos mit den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts umgehen“

Eine klare Absage erteilte Gabriel nach wie vor den Thesen, die sich aus einzelnen Buchpassagen interpretieren lassen. So verweise etwa der ehemalige Bundesbanker „völlig unkritisch“ auf die Bevölkerungspolitik von zwei schwedischen Sozialdemokraten – Alva und Gunnar Myrdal. Leser ohne vertiefte Kenntnisse der schwedischen Geschichte könnten aus Sarrazins Buch nicht erkennen, dass wegen dieser Bevölkerungspolitik noch bis in die 70er Jahre mehr als 60.000 Menschen unter anderem deshalb sterilisiert wurden, weil sie als „asozial“ galten. „Niemand darf so fahrlässig und geschichtslos mit den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts umgehen. Und schon gar kein Sozialdemokrat“, bekräftigte Gabriel.

Zuwanderer haben das Land nach vorn gebracht

Um das Vertrauen unter den Zuwanderern auch nach der Sarrazin-Debatte wieder zu stärken, werde die SPD künftig noch mehr als zuvor zeigen, welche Bild sie vom Zusammenleben in Deutschland habe. Durch Einwanderung, erinnerte der SPD-Vorsitzende, sei Deutschland „wohlhabender, vielfältiger und schöner“ geworden. Zuwanderer hätten geholfen, das Land nach dem zweiten Weltkrieg wieder aufzubauen und es kulturell bereichert.

Mehr Menschen mit Migrationshintergrund in die SPD

Sichtbar werden soll diese Überzeugung auch durch mehr Abgeordnete und Minister mit Migrationshintergrund nach den kommenden Landtagswahlen. Auch im Parteivorstand werde sich dies stärker abbilden. Außerdem werde die SPD das Thema der doppelten Staatsbürgerschaft wieder auf die Tagesordnung heben, kündigte Gabriel an – für gleiche Rechte und Pflichten der Menschen, die in Deutschland leben.

Unbestreitbare Probleme in der Integrationspolitik werde auch die SPD nicht verschweigen. „Wer aber nur den Anschein zulasse, eine „Wiederbelebung des Sozialdarwinismus“ betreiben zu wollen, müsse „mit dem entschiedenen Widerstand der Sozialdemokratie rechnen“, bekräftigte der SPD-Vorsitzende.