Presseschau zum Rücktritt von zu Guttenberg

Veröffentlicht am 03.03.2011 in Bundespolitik

Als Konsequenz aus der Plagiats-Affäre ist Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) von seinem Amt zurückgetreten. spd.de gibt einen Überblick über die ersten Reaktionen der Online-Medien.

  • Der Tagesspiegel
  • [...] Doch zu Fall gebracht hat sich Guttenberg ganz allein. Er ist kein Opfer von Intrigen und Jägern mit niedrigen Beweggründen. Er ist kein gehetztes Reh, das die Meute schließlich erlegt hat. Sondern er ist an der ersten ernsthaften Krise seiner politischen Laufbahn gescheitert. Dabei wurde ihm nicht allein seine plagiierte Doktorarbeit zum Verhängnis, sondern vor allem sein Verhalten nach Bekanntwerden des Skandals. Dieses Leugnen des Offenkundigen als "abstrus", dieses Kokettieren mit den eigenen Fehlern ("hier steht das Original, nicht die Kopie"), diese trotzige Art und Weise, Reue nicht zu zeigen, sondern zu spielen. Fehler verzeiht das Volk, selbst grobe Fehler. Was es nicht verzeiht, sind Demutsposen, Ausflüchte und semantische Kniffs ("nicht absichtlich getäuscht"). […] Inhaltlich hatte Merkel das Konservative bereits vor dem Fall Guttenberg entkernt. Nun steht sie auch personell ziemlich nackt da. Der Anstand hat gesiegt, der Preis des Sieges ist hoch, verdammt hoch.
  • Süddeutsche Zeitung
  • Karl-Theodor zu Guttenberg ist zurückgetreten - und nicht der politische Gegner hat ihn zu Fall gebracht, nicht Ungereimtheiten in der Kundus-Affäre oder bei Zwischenfällen in der Bundeswehr, nicht seine zuweilen selbstherrliche Amtsführung. Er ist über sich selbst gestürzt. […] Guttenberg hat abgekupfert, für seines ausgegeben, was die Gedanken anderer waren. Er hat mit seinem Dr.-Titel sich selbst, die Wissenschaftsgemeinde und seine Wähler betrogen, wenn nicht in juristischer, so doch in moralischer Weise. Doktor Guttenberg war mehr Schein als Sein, und nicht mal der publizistische Beistand von Bild konnte ihm helfen. […] Für viele Bürger war er ein guter Grund, noch ihr Kreuz bei der Union zu machen. Schnell kann sich das Gefühl einstellen: Wenn schon Guttenberg nicht zu trauen ist, wem dann? Sein Abgang könnte der Beginn einer tiefen Depression von CDU und CSU sein. Oder aber die öffentliche Meinung entwickelt sich ganz anders - dann könnte Guttenbergs Rückzug auch eine Chance für ihn sein. [...] Gut möglich, dass der gefallene Jungstar in wenigen Monaten eine Art Märtyrerstatus erlangt. Er wäre nicht der Erste in der CSU, dessen plötzlicher Sturz am Ende sich bloß als Stolpern entpuppte. Auch ein Franz Josef Strauß ist in der Spiegel-Affäre spektakulär zurückgetreten - um dann wiederzukommen - und sehr, sehr lange zu bleiben.
  • Stern
  • Nun sollen es, wie bei nahezu allen anderen Rücktritten auch, wieder einmal die Medien gewesen sein, die den Rücktritt unumgänglich gemacht haben. Diese Ausrede hätte sich ein Popstar wie Guttenberg wahrlich sparen können. Er ist gescheitert, an sich selbst, an seinem überbordenden Ehrgeiz, der ihn in stillen Stunden dazu verleitet hat, Respekt, Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit hintanzustellen. Dieses Problem hat sich so tief in die Wahrnehmung seiner Person gebohrt, so fundamental den Standpunkt der Christdemokratie in Frage gestellt und so ernsthafte Sorgen um die Ergebnisse der anstehenden Landtagswahlen ausgelöst, dass nur der Rücktritt blieb. [...] Tatsächlich hinterlässt er einen gewaltigen Scherbenhaufen, zu dem Kanzlerin mit ihren machttaktisch motivierten Manövern in der Plagiatsaffäre selbst mit beigetragen hat. Nun hat sie ihn wegzufegen. Alleine.
  • Focus
  • Für die Union ist der Rückzug von Karl-Theodor zu Guttenberg schwerer Schlag und Befreiung zugleich. CDU und CSU verlieren nicht nur ihren politischen Star, sondern vor allem einen Verteidigungsminister, der die Seele der Truppe ansprach und die schwierige Umstrukturierung der Bundeswehr offensiv anging. […] In der Präsentation von Politik war der CSU-Mann Spitzenklasse. Es wird die Union schmerzen, auf den Mann zu verzichten, der als Hoffnungsträger galt. Doch das politische System insgesamt hat einen Verlust erlitten. [...] Heute wäre die Prognose riskant, eines Tages werde Guttenberg wieder die politische Bühne betreten. Ob es dazu kommt, wird entscheidend vom Ausgang der Affäre um die Doktorarbeit abhängen.
  • Bild
  • Mit Guttenberg verliert die gesamte Politik nämlich einen, der die Menschen eben für diese Politik begeistern konnte. Sie verliert einen Mann, der wie kaum ein zweiter derzeit den Graben zwischen Bürgern und Politik zu überbrücken vermochte. [...] Die Mehrheit der Bürger stellte Guttenbergs Glaubwürdigkeit als Minister bis zuletzt nicht in Frage, ganz gleich, wer sie ihm von Opposition oder aus dem eigenen Lager auch absprach. Doch am Ende schützte ihn die Zustimmung der Bürger nicht. Denn in Berlin kann nicht sein, was nicht sein darf. Nun sollen die, die Guttenbergs Rücktritt wollten und bekamen, erklären, ob die Politik in Deutschland ohne diesen Minister unter dem Strich wirklich besser da steht. Sie tut es nicht!
  • Die Welt
  • Der Mann, der eben noch der Liebling der Götter zu sein schien, ist politisch am zumindest vorläufigen Ende seines Wegs angekommen. Ein Stern ist verglüht. Man kann es drehen und wenden wie man will: Daran ist Karl-Theodor zu Guttenberg allein Schuld. […] Guttenberg galt seinen eigenen Leuten fast als Heilsbringer, und manchmal sah es fast so aus, als glaube er selbst das auch. Schade, dass ein guter Lauf so brutal gebrochen wurde. Gut, dass die Dissertationsaffäre nicht als Kavaliersdelikt durchging. Es gibt auch ein Leben nach (und vor) der Politik. Und: Überseht und übergeht die Häme.
  • Financial Times Deutschland
  • Blamiert steht Bundeskanzlerin Angela Merkel schon jetzt da. Zu lange hat sie an ihrem Minister festgehalten. Ihre Strategie, Guttenbergs Persönlichkeit zu spalten - hier den tadellosen Minister, dort den fehlerhaften Wissenschaftler - ist kläglich gescheitert. [...] Das Problem für Merkel ist um so größer, weil sich Guttenbergs Rücktritt in eine Amtsverzichts-Serie fügt. So offenbart sich in puncto Personalpolitik vor allem eines: Die Kanzlerin führt nicht, sie wird vorgeführt. [...] Das politische Finale der Plagiatsaffäre hinterlässt nicht nur eine Vakanz im Verteidigungsministerium. Es lässt auch ein Vakuum hinter Merkel entstehen, das bisher der heimliche Kanzlerkandidat zu Guttenberg ausfüllte. Strotzte die Kanzlerin vor Kraft, bräuchte sich die Union darum keine Sorgen zu machen. Aber Angela Merkel ist inzwischen verdammt weit von ihrer alten Bestform entfernt.
  • Handelsblatt
  • Am Ende war der Druck dann doch zu hoch: Karl-Theodor zu Guttenberg, der immer hohe moralische Ansprüche an sich und seine Glaubwürdigkeit gestellt hat, zieht die Konsequenz aus der Plagiatsaffäre und tritt zurück. Er tut damit das, was er auch von anderen wie seinem Generalinspekteur und seinem Staatssekretär verlangt hatte, als er sich von ihnen schlecht informiert fühlte. [...] Für die Kanzlerin, die von dem plötzlichen Rückzug auf der Cebit kalt erwischt wurde, ist der Verlust ihres Publikumslieblings ein schwerer Schlag. Zum einen wird ihr die CDU-Basis allen Treuebekundungen zum Trotz ankreiden, den populären Minister doch nicht ausreichend unterstützt zu haben. Zum anderen verliert die ganze Union einen Mann, dem bis hinauf zum Amt des Kanzlers alles zugetraut wurde. [...] Auf Merkel und die CDU/CSU kommen schwere Zeiten zu.