Familienministerium beauftragt Lobby

Veröffentlicht am 13.08.2010 in Bundespolitik

Für die Entwicklung eines Pflegezeitmodells hat die Familienministerin ein Beratungsunternehmen beauftragt, das eng mit der Versicherungswirtschaft verknüpft ist. Diese würde durch das Konzept profitieren. Unabhängiger Rat sieht anders aus, kritisieren scharf Experten für Verfassungsrecht, von LobbyControl und der SPD-Bundestagsfraktion.

Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim hat Bundesfamilienministerin Kristina Schröder scharf kritisiert, weil ihr Ministerium eine Versicherungsgruppe am Gesetzentwurf für eine Arbeitnehmerversicherung zur Familienpflegezeit hat mitschreiben lassen. "Die ganze Angelegenheit hat ein ziemliches Geschmäckle", so von Arnim.

Verfassungsrechtler von Arnim: "hoch problematisch"

Wenn eine Gruppe oder ihre Lobby ihren eigenen Gesetzentwurf schreibe oder mitschreibe, von dem sie nachher profitiere, "ist das hoch problematisch", kommentierte der Verfassungsrechtler den Vorgang im "Hamburger Abendblatt" (Dienstagsausgabe). Der Jurist kritisierte zudem, dass das Familienministerium trotz zahlreicher gut bezahlter Ministerialbeamter die Finanzwirtschaft mit der Erstellung des Gesetzentwurfes beauftragt habe. "Dass für neue Gesetze trotzdem externer Sachverstand eingekauft wird, obwohl keine Notstandsituation besteht, ist eine Bankrotterklärung der Ministerialbürokratie."

Zuvor war bekannt geworden, dass das Familienministerium das Beratungsunternehmen MachmeyerRürup AG damit beauftragt hatte, ein Pflegezeitmodell zu erarbeiten. Der Gesetzentwurf, an dem auch die Nürnberger Versicherungsgruppe mitschrieb, sieht vor, dass Familienmitglieder, die das Angebot annehmen wollen, eine Ausfallversicherung abschließen müssen. Diese soll davor schützen, dass Arbeitnehmer den Lohnvorschuss nach der Pflegezeit wegen Berufsunfähigkeit nicht zurückzahlen können. Profitieren würde von dem Konzept also vor allem die Versicherungsbranche.

LobbyControl: Wer profitiert vom Gutachten?

Die Praktik des Bundesfamilienministeriums stieß auch bei der Anti-Lobby-Initiative "LobbyControl" auf Kritik. Es sei "problematisch", dass das Ministerium mit der Erstellung des Gesetzentwurfs die MaschmeyerRürup AG beauftragt habe. Denn die Kundschaft dieses Unternehmens komme überwiegend aus dem Bereich Banken und Versicherungen. "Nun begutachtet das Beratungsunternehmen eine neue Versicherung, von der eben diese Kunden profitieren dürften. Kann da noch von einem neutralen Gutachten die Rede sein?", fragt Nina Katzemich von "LobbyControl" im "Hamburger Abendblatt".

Schwarz-gelbe Klientelpolitik

Angesichts der Vorwürfe der Klientelpolitik forderte die seniorenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Caren Marks, die Familienministerin auf, "umgehend die Fakten offen zu legen". Bereits im Mai hatte die SPD-Fraktion kritisiert, dass Schröder mit dem geplanten Pflegezeitmodell und der dabei vorgesehenen Pflichtversicherung einseitig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belaste. Vor allem Versicherungen würden von dieser Pflichtversicherung eindeutig profitieren. "Schwarz-Gelb ist wieder einmal dem Vorwurf der Klientelpolitik ausgesetzt", stellt die SPD-Politikerin fest.