SPD Hetzerath

Versorgungssicherheit trotz Atomausstieg

Veröffentlicht am 21.04.2011 in Bundespolitik

Die Sozialdemokraten haben zu einem Energiedialog ins Willy-Brandt-Haus geladen. Zum Auftakt kamen Vertreter von Mittelstand, Handwerk, Umweltverbänden, Verbraucherschutzorganisationen und der Energieintensiven Wirtschaft. Ein erstes Fazit von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel: Die Bundesregierung „darf eine Entscheidung nicht übers Knie brechen.“

Die energiepolitische Debatte führt die Bundesregierung geradezu in einem Eiltempo. Aus Sicht der Sozialdemokraten rennt Schwarz-Gelb jedoch unkontrolliert in eine Richtung, ohne die negativen Folgen im Blick zu haben. Für einen Energiekonsens brauche Deutschland eine Debatte, die über „großen Überschriften“, so SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, hinaus geht. Dabei setzt die SPD auf Kompetenz und Information: Vertreter von Verbänden und aus der Wirtschaft kamen zu Gesprächen ins Willy-Brandt-Haus. Bis zur Energiepolitischen Konferenz der Partei am 20. Mai sollen weitere Dialogrunden folgen.

Energie: Herz-Kreislauf-System der Industriegesellschaft

„Es wird zurzeit zu wenig über Energieeffizienz gesprochen“, so ein Fazit von Gabriel nach den intensiven Gesprächen. Es werde zu wenig über dezentrale Energieproduktion nachgedacht, womit ein teurer, unnötiger Netzausbau begrenzt werden könne. Es fehlt ihm auch eine Debatte über die Investitionsförderung für neue Kraftwerke.

Energie ist „das Herz-Kreislauf-System der Industriegesellschaft Deutschland“, betont Gabriel und wirft der Bundesregierung vor: „Frau Merkel operiert gerade mit wechselnden Diagnosen am offenen Herzen“. Die SPD fordert ausreichend Zeit für eine Debatte in der Gesellschaft. „Wir können nächste Woche sofort beschließen, dass wir aussteigen“, erklärt der SPD-Vorsitzende, „aber über die Frage, wie wir das so organisieren, dass Stromkunden im privaten Bereich und im wirtschaftlich-industriellen Bereich langfristig Planungssicherheit haben, dafür werden wir uns auch Zeit lassen müssen.“ Wer solche Entscheidungen übers Knie breche, laufe Gefahr, „dass es viele Leute viel zu viel Geld kostet.“

„Es müssen Zahlen auf den Tisch“

Auch nach Ansicht von Gerd Billen, Vorsitzender des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, läuft die aktuelle Debatte in eine falsche Richtung: „Es gibt einen Überbietungswettbewerb, was die Kosten eines Energieumstiegs betrifft.“ Für die zum Teil sehr hohen Schätzungen gibt es aus seiner Sicht keine belastbare Grundlage. Er fordert eine ehrliche Rechnung. „Hierfür müssen alle Zahlen auf den Tisch“, so Billen. Den Netzbetreibern wirft er vor, nicht mit offenen Karten zu spielen. Dabei ist Billen sicher, dass Verbraucher bereit seien, für Strom auch etwas mehr zu bezahlen, „wenn die Zahlen nachvollziehbar sind.“

Dr. Utz Tillmann ist Sprecher der Energieintensiven Industrien – dazu zählen unter anderem die großen Branchen Glas, Baustoffe, Papier, Stahl und Chemie. Seine Forderung ist sehr klar umrissen: „Energie muss bezahlbar bleiben“. Energie zu sparen sei ein Ziel, dass auch sie immer verfolgt hätten, doch ein Viertel des Energieverbrauchs in Deutschland geht auf das Konto der energieintensiven Branchen. „Wir brauchen viel Energie, um unsere Produkte herzustellen.“ Energie ist „das Blut im Industriekreislauf“, und sei entscheidend für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, so Tillmann. Deshalb sein Vorschlag: kein definiertes Ende für den Atomausstieg setzen, „um keine völlig verkehrte Weichenstellung vorzunehmen“. Für die Übergangsphase brauche man ein Mehr an konventioneller Energie, um eine Grundlast sicher zu stellen.

„Welche Energieversorgung wollen wir für Deutschland?“

Versorgungssicherheit ist auch aus Sicht von Sigmar Gabriel ein zentrales Thema in der Debatte um die Energiewende. Der Atomausstieg ist für den SPD-Chef seit den letzten Landtagswahlen eine beschlossene Sache, „aber was passiert danach?“ Die Frage nach den Bedingungen müsse nun diskutiert werden, wie „wir bis 2020 trotz des Ausstieges eine Versorgungssicherheit und auch wirtschaftlich vertretbare Strompreise in Deutschland“ sicher stellen können.

Doch was die aktuelle Debatte beherrscht, ist die Frage der Kosten für einen Netzausbau. „Wir werden erst entscheiden müssen, welche Energieversorgung wir in Deutschland haben wollen, danach können wir erst festlegen, wie der Leitungsausbau stattfinden soll“, mahnte Gabriel und unterstrich damit die Forderung nach einem Energiekonsens. Um enorme Kosten für den Netzausbau zu minimieren, müsse erst festgestellt werden, welche Formen von dezentraler Energieversorgung geschaffen werden könnten und an welchen Knotenpunkten dafür Regelenergie zum Beispiel durch Gas oder Kohle notwendig seien. Auch die Zielrichtung der Bundesregierung, verstärkt Offshore-Windanlagen fördern zu wollen, stößt bei Gabriel auf wenig Verständnis: „Beim Ausbau der Erneuerbaren Energie muss man darauf achten, dass die wirtschaftlich Günstigsten ausgebaut werden. Und das ist die Windenergie an Land.“