AKW-Laufzeiten: Sicherheit spielt keine Rolle

Veröffentlicht am 01.09.2010 in Bundespolitik

Die Debatte um die geplante Laufzeitverlängerung von alten Atomkraftwerken nimmt zunehmend absurde Züge an. Nachdem der Bundesregierung ein Gutachten vorliegt, dass sie von einem atomwirtschaftsnahen Institut hat erstellen lassen, nennen Kanzlerin, Wirtschafts- und Umweltminister jeweils andere Jahreszahlen – oder wollen sich gar nicht festlegen. Klar scheint nur eins: Sicherheitsaspekte spielen bei den Überlegungen offensichtlich keine Rolle.

Am Wochenende werteten die Minister für Wirtschaft und Umwelt, Rainer Brüderle und Norbert Röttgen, das Gutachten aus, das die Grundlage für das Energiekonzept der Bundesregierung liefern soll. Erstellt wurde das Papier vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln (EWI), das durch Millionenzuschüsse am Tropf der Atomwirtschaft hängt.

Wie lange Schwarz-Gelb alte Atomkraftwerke zusätzlich laufen lassen will, bleibt aber auch nach der Stellungnahme der Minister am Montag unklar: Brüderle will die Meiler zwischen zwölf und 20 Jahre länger laufen lassen, Röttgen mochte sich auf keine Jahreszahl festlegen, und Angela Merkel erklärte bereits am Wochenende zehn bis 15 Jahre für „fachlich vernünftig“.

Schwarz-Gelb zwischen Lobbyismus und Finanzpolitik

Das Geschacher in den vergangenen Wochen um mögliche Abgaben – oder „Beiträgen“ – der Atomwirtschaft bei einer Laufzeitverlängerung und die Uneinigkeit bei der Regierung bei der Interpretation des nun vorliegenden Gutachtens belegen: Die Motivation der schwarz-gelben Atompolitik bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Lobbyismus und Finanzpolitik.

Die Öffentlichkeit erlebe beim Umgang der Regierung mit diesem zentralen Zukunftsthema etwas, „was kaum vorstellbar gewesen ist“, kommentierte auch am Montag der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Völlig unklar sei, auf welcher Grundlage die Kanzlerin über verlängerte AKW-Laufzeiten entscheiden wolle. Dabei müsse am Anfang aller Überlegungen die Frage beantwortet werden: „Kann man alte Atomkraftwerke auf den Sicherheitsstand von heute bringen?“

Unionspolitiker gegen „überzogene Sicherheitsstandards“

Die Frage spielt bei den schwarz-gelben Überlegungen aber bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Fachpolitiker der Union fordern daher bereits 20 zusätzliche Jahre für die alten, unsicheren Meiler – etwa der Energie-Koordinator der Unionsfraktion Thomas Bareiß. Bei den bevorstehenden Entscheidungen werde seiner Fraktion „darauf achten, dass längere Laufzeiten nicht durch überzogene Sicherheitsstandards torpediert werden“, sagte der Christdemokrat der Financial Times Deutschland (Dienstag).

Am Dienstag will sich nun Angela Merkel gemeinsam mit Brüderle und Röttgen einer gemeinsamen Position annähern. Mit dabei ist Finanzminister Wolfgang Schäuble.