13.07.2015
Heute Morgen konnte eine Einigung über Maßnahmen erzielt werden, die unserer festen Überzeugung nach Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm für Griechenland rechtfertigen. Dafür muss Griechenland in den nächsten Tagen durch parlamentarische Beschlüsse die Voraussetzungen schaffen.
Unser oberstes Ziel in diesen überaus schwierigen Verhandlungen war es und bleibt es, Europa zusammenzuhalten. Die Folgen eines Scheiterns wären für alle unabsehbar. Für die SPD gibt es keinen Zweifel: Nur mit Frankreich kann es eine Lösung geben, weil wir nur mit gemeinsamen Überzeugungen und vereinten Kräften Europa voranbringen. Innerhalb der Bundesregierung haben wir für die Sozialdemokratie immer klar gemacht, dass für uns nur eine gemeinsam von Deutschland und Frankreich getragene Lösung denkbar war und ist. Wir haben deshalb alles dafür getan, dass Deutschland und Frankreich im Schulterschluss handeln und dass sich kein Riss durch den Euroraum auftut, bei dem einzelne Gruppen von Mitgliedstaaten gegeneinander stehen. Das wäre der größte Schaden für Europa gewesen und er wäre eingetreten, wenn wir in der letzten Nacht die Gegensätze nicht hätten überbrücken können.
Das Ziel ist der Verbleib Griechenlands im Euro. Dass darüber heute Morgen eine Einigung gelingen konnte, ist zwei zentralen Tatsachen geschuldet: Erstens hat die griechische Regierung ihre Bereitschaft zum Kompromiss gezeigt. Die Regeln des Euro gelten und werden durch Griechenland anerkannt. Zweitens haben auch die übrigen Euroländer Kompromissbereitschaft bewiesen, denn die verabredeten Maßnahmen enthalten neue Elemente, unter anderem ein 35 Milliarden Euro Investitionsprogramm aus europäischen Fonds, aus denen eine Milliarde als Sofortimpuls für Wachstum zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollen 12,5 Milliarden Euro aus Privatisierungserlösen der Verstärkung von Investitionen zugute kommen. Griechenland muss jetzt harte Reformen einleiten, aber es braucht auch schnelle und spürbare Investitionen, um wirtschaftlich gesunden zu können.
Lange wurde am Wochenende um die Schuldentragfähigkeit gerungen. Im Ergebnis soll es verstärkte Maßnahmen Griechenlands geben, Privatisierungserlöse zu nutzen. Es soll ein unabhängiger Fonds entstehen, der durch Griechenland eingerichtet und von den griechischen Behörden unter einer Supervision der europäischen Institutionen administriert wird. In diesen Fonds soll staatliches Vermögen gehen, von dem erwartet wird, dass es Privatisierungserlöse von 50 Milliarden Euro erbringt. 25 Milliarden Euro aus den erwarteten Erlösen sollen genutzt werden, um die Bankenrekapitalisierung zu finanzieren, 12,5 Milliarden Euro, um die Schuldentragfähigkeit zu verbessern und weitere 12,5 Milliarden Euro für Investitionen.
Einig sind wir uns, dass es einen nominalen Schuldenschnitt in der Eurozone nicht geben kann. Er verstieße gegen die Regeln des Bailout-Verbots. Doch die Eurogruppe hat sich sehr wohl darauf verständigt, dass Griechenland weitere Schuldenerleichterungen durch Streckung der Zahlungsverpflichtungen bekommen kann, wenn das Maßnahmepaket umgesetzt wird. Auch das ist ein wichtiges Element der Einigung und macht Hoffnung, dass uns ein Ausweg aus der Rezessions-Schulden-Spirale gelingt.
Wichtig ist jetzt, verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen. Die griechische Regierung muss die Glaubwürdigkeit der Reformzusagen nachweisen. Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen ist deshalb die Verabschiedung von ersten Maßnahmen durch Griechenland bis zum 15. Juli. Dazu gehören die Vereinfachung des Mehrwertsteuersystems und erste Rentenreformen. Außerdem muss das griechische Parlament das gesamte im Eurogruppen-Statement dokumentierte Maßnahmepaket akzeptieren.
Der griechische Ministerpräsident will seinem Parlament die Annahme des Pakets empfehlen. Wir setzen darauf, dass es ihm gelingt, obwohl das Paket jetzt weiter reichende Reformen enthält als die, die noch vor wenigen Tagen im griechischen Referendum abgelehnt wurden. Auch deshalb ist es wichtig, die in der vergangenen Nacht vollzogene Einsicht und Kompromissbereitschaft der griechischen Regierung zu würdigen.
Wenn das griechische Parlament zustimmt, wird auch der Deutsche Bundestag zusammen kommen müssen. Denn über die Aufnahme der dann notwendigen Verhandlungen über die Details eines ESM-Hilfsprogramms entscheidet das deutsche Parlament. Wir sind der Überzeugung, dass die Sozialdemokratie in diesen für Europa entscheidenden Tagen den Weg zu Verhandlungen eröffnen sollte.
Wir wissen, dass dies für die deutschen Steuerzahler und für die Mitglieder des Bundestages kein leichter Schritt ist. Wir sprechen von einem Finanzierungsbedarf in Höhe von insgesamt 82 bis 85 Milliarden Euro an Darlehen und Garantien über die nächsten Jahre. Und doch sind wir überzeugt, dass Deutschland seinen Anteil daran und seinen Beitrag für den Zusammenhalt Europas leisten kann und auch leisten sollte.
Die vor uns liegenden Tage sind für alle Beteiligten nicht einfach. Insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger Griechenlands sind in den nächsten Jahren sehr große Aufgaben zu schultern. Aber auch für Deutschland ist die Entscheidung zu weiterer Finanzhilfe von erheblicher Tragweite.
Doch eines steht über allem: Europa hat heute Nacht eine historische Bewährungsprobe bestanden und wieder zusammengefunden. Das darf uns freuen und auch Mut machen für die weiteren Entscheidungen.