Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier werfen der Regierung vor, in der Europapolitik zu tricksen, täuschen und zu lügen. Ein Schuldenschnitt für Griechenland werde unausweichbar sein, doch Merkel versuche ihn über die Bundestagswahl hinauszuzögern. Die SPD stellt ein Konzept zur Ursachenbekämpfung der Krise vor.
Die internationalen Geldgeber haben sich in der Nacht zum Dienstag nach wochenlangem Streit auf die Auszahlung neuer Milliardenkredite verständigt. Zudem wollen die Eurostaaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) dem pleitebedrohten Land mit einem Maßnahmenbündel helfen, um langfristig die Schuldenlast zu drücken.
In Deutschland könnte die notwendige Entscheidung im Bundestag zur Zitterpartie werden. Die schwarz-gelbe Koalition will schon in dieser Woche über das erweiterte Griechenland-Paket entscheiden. SPD und Grüne wollen zunächst alle Konsequenzen für den Bundeshaushalt prüfen.
Steinbrück fordert von Merkel erneut „Stunde der Wahrheit“
Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück forderte am Dienstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut auf, die Karten auf den Tisch zu legen. „Die Stunde der Wahrheit, für die wir wirklich plädieren“, stehe nach wie vor aus. Die Konsequenzen für den Bundeshaushalt seien völlig unklar. Deshalb sei es für die Opposition „absolut unzumutbar“, über die Presse mitgeteilt zu bekommen, wann der Bundestag entscheiden solle.
Steinmeier: „Wir sind kein Abnickparlament“
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach sich gegen die Verabschiedung des kompletten Griechenland-Pakets noch in dieser Woche im Bundestag aus. „Die Unterdrucksetzung des Parlaments in der Frage der Griechenlandbeschlüsse sei nicht hinnehmbar. „Wochenlang drehen sich die Finanzminister bei ihren Beratungen im Kreis, aber dann soll der Bundestag innerhalb von 48 Stunden zustimmen. Da fehlt jeder Respekt vor dem Parlament“, sagte Steinmeier. Tatsächlich seien nach dem Beschluss der Finanzminister weder die zugrunde liegenden Berechnungen über die Entwicklung der griechischen Staatsschuld noch die Auswirkungen der Beschlüsse auf den deutschen Bundeshaushalt beim Bundestag eingegangen. Steinmeier: „Der Bundestag ist kein Abnickparlament.“
SPD und Grüne wollen Konsequenzen für Haushalt prüfen
Der SPD-Fraktionschef fragt die Bundesregierung, worüber in dieser Woche eigentlich entschieden werden soll. Schließlich hätten die Finanzminister selbst zusätzliche Finanzmittel für Griechenland unter dem Vorbehalt beschlossen, dass der Rückkauf von Schulden durch die griechische Regierung gelingt. Davon mache auch der Internationale Währungsfonds (IWF) seine weitere Beteiligung am Griechenlandprogramm abhängig. „In dieser Woche geht es also vor allem um den Beschluss zur Eröffnung des griechischen Schuldenrückkaufprogramms. Abschließende Entscheidungen über die Griechenlandhilfe werden erst im Dezember folgen, abhängig davon, ob der Schuldenrückkauf erfolgreich und die Beteiligung des IWF gesichert ist“, so Steinmeier.
Steinmeier: „Es wird getrickst und getäuscht, es wird gelogen und betrogen“
Scharf kritisiert er das „unwürdige Schauspiel“ bei der Europapolitik von Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). „Es wird getrickst und getäuscht, es wird gelogen und betrogen. 32 Milliarden Euro beträgt die Finanzierungslücke für Griechenland. Die Bundesregierung aber verweigert klare Auskunft darüber, wo das Geld herkommen soll. Merkel und Schäuble wissen, dass ein weiterer Schuldenschnitt unausweichlich geworden ist, und sie wissen, dass er den Bundeshaushalt belasten wird. Angela Merkel aber will diesen Offenbarungseid ihrer gescheiterten Euro-Politik um jeden Preis vor der Landtagswahl in Niedersachsen im Januar und vor der Bundestagswahl im kommenden September vermeiden“, sagte Steinmeier.
SPD bringt Konzept zum Schutz der Steuerzahler in den Bundestag
Seit langem fordert die SPD von der Bundesregierung, endlich die Ursachen der Krise, nicht nur ihre Symptome zu bekämpfen. „Nur so können wir die Steuerzahler auf Dauer schützen und die Stabilität in Europa wiedergewinnen“, stellte der SPD-Fraktionschef klar. Steinmeier kündigte an, die SPD werde deshalb gemeinsam mit den Grünen ein Konzept zur Beendigung der Staatshaftung bei Bankenkrisen in den Bundestag einbringen. Der Vertrauensverlust im Euroraum sei vor allem auf eine Krise der Banken und der Finanzmärkte zurückzuführen. Um die seit 2008 verlorene Stabilität zurückzugewinnen, die Rezession zu überwinden und Staatsverschuldung zu senken, sei die Bändigung der Finanzmärkte unausweichlich. „Wer Risiken eingeht, muss auch haften. Deshalb fordern wir ein europäisches Abwicklungsregime und eine europäische Abwicklungsbehörde für insolvente Banken sowie einen Bankenfonds, in den die Banken einzahlen und mit dem die Eigentümer der Banken, die von Gewinnen profitieren, in Zukunft auch selbst für die Kosten bei Restrukturierung und Rekapitalisierung aufkommen“, so Steinmeier. Die SPD wolle verhindern, dass der mit dem Geld der Steuerzahler gespeiste Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) zur direkten oder indirekten Kapitalspritze für Banken in Schieflage werde.
Maßnahmen des Griechenland-Pakets
Die Geldgeber Athens hatten sich in der Nacht auf die Auszahlung der Kredite an Griechenland verständigt. Grundsätzlich waren sie einig, fast 44 Milliarden Euro freizugeben. Davon sollen 34,4 Milliarden Euro noch 2012 fließen, um eine drohende Staatspleite abzuwenden. Zudem vereinbarten sie Schritte wie ein Schuldenrückkaufprogramm, Zinserleichterungen oder längere Darlehenslaufzeiten, um langfristig die Schuldenlast zu drücken.