Höhere Strahlenbelastung erlaubt

Veröffentlicht am 03.04.2011 in Aktuell

Lebensmittel aus den Provinzen rund um Fukushima müssen bei der Einfuhr in die EU nicht länger den strengen EU-Grenzwerten genügen. Sogar nicht einmal den japanischen Grenzwerten! Eine Eilverordnung lässt Überschreitungen bis um das Zehnfache zu. spd.de sprach mit Karin Wurzbacher vom Umweltinstitut München über Risiken und Folgen der Grenzwertanhebung.

Lebensmittel aus Japan spielen auf dem deutschen Markt kaum eine Rolle. Gerade mal 0,1 Prozent aller importierten Güter der Land- und Ernährungswirtschaft stammen aus Japan, beruhigt das Verbraucherschutzministerium. Japanische Würzsoßen führen mit Abstand die Importliste an. Dennoch: Die von der EU-Kommission vor knapp einer Woche in Kraft gesetzte „Schubladenverordnung“ zur Einfuhr von Lebensmitteln aus Japan (begrenzte Gültigkeit bis 30. Juni 2011) sorgt für Aufregung, Verwirrung und Beunruhigung. Wie kann es sein, dass japanische Lebensmittel in die EU eingeführt werden dürfen, die erheblich stärker radioaktiv belastet sind, als alle anderen Lebensmittel?

foodwatch stößt Risikodebatte an

Diese Frage stellte zuerst die Organisation foodwatch. Sie hatte - im Gegensatz zu vielen EU-Parlamentariern und so einigen deutschen Ministerien – Anfang dieser Woche von einer Eilverordnung Wind bekommen. Das Informationsdisaster auf Seiten der politisch Verantwortlichen schlägt bis heute Wellen. Für Elvira Drobinski-Weiß, verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, ist es vollkommen unverständlich, dass die Belastungswerte erhöht wurden. "Es gibt absolut keine Begründung dafür, dass zwischen lang- und kurzfristigen Belastungen differenziert werden soll", so die SPD-Expertin. "Belastung bleibt Belastung."

Der Druck auf die Bundesregierung wächst. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) – selbst von der EU-Entscheidung kalt erwischt – bezieht nun Position gegen die Eilverordnung und ließ am heutigen Freitag einen ihrer Sprecher mitteilen: „Der vorbeugende Verbraucherschutz muss Priorität haben.“ Die Bundesregierung will den Grenzwert für die Strahlenbelastung von Lebensmitteln aus Japan EU-weit auf das Niveau einer Tschernobyl-Regelung senken.

Europa im Versorgungsnotstand?

Hinter der „Tschernobyl-Regelung“ steckt eine Verordnung, die 1986 nach der Reaktorkatastrophe in der Ukraine aufgesetzt worden war und Grenzwerte für radioaktive Belastungen festsetzt. Diese Verordnung wird seitdem immer wieder verlängert – zuletzt vor zwei Jahren, mit einer Gültigkeit bis 2020. Die nun in Kraft gesetzte Eilverordnung liegt seit 1987 in der Schublade der EU-Kommission. Im Falle eines „radiologischen Notstandes“ sollen damit die Grenzwerte nach oben gesetzt werden können, um einen Versorgungsnotstand zu vermeiden. Die Befürchtung: Zu strenge Richtlinien könnten nach einer nuklearen Katastrophe zu einer Knappheit von Grundnahrungsmitteln führen. Doch davon kann im Fall von Fukushima für Europa nicht die Rede sein.

Grenzwertanhebung in Zahlen

Und dennoch gelten zurzeit für Lebensmittel aus Fernost neue Maßstäbe – in Zahlen, am Beispiel der langlebigen radioaktiven Substanzen Cäsium-134 und Cäsium-137: Liegt der bisherige EU-Grenzwert für Säuglingsnahrung bei 370 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg), so erlaubt die Eilverordnung für Japan 400 Bq/kg und sonstige Nahrungsmittel dürfen nach „alter“ Verordnung den Wert von 600 Bq/kg nicht übersteigen, nun liegt die Grenze bei 1250 Bq/kg. Für Lebensmittel mit „geringer Bedeutung“ wie Gewürze, Fischöl etc. ist sogar eine Überschreitung um das Zehnfache (12.500 Bq/kg) erlaubt.

Folgen der Tschernobyl-Katastrophe

Für die Physikerin Karin Wurzbacher vom Umweltinstitut München ein unhaltbarer Zustand. Wie soll der Verbraucher es nachvollziehen können, dass „Pilze aus Weißrussland mit einer Cäsium-Belastung von 1000 Becquerel nicht eingeführt werden dürfen, Pilze aus Japan mit dieser Belastung aber doch“, bringt die Umweltexpertin die Widersprüche auf den Punkt. In Bayern werden noch heute – noch in Folge der Tschernobyl-Katastrophe – Wildschweine auf ihre radioaktive Belastung getestet, berichtet Wurzbacher. Wird der Wert von 600 Bq/kg überschritten, darf das Fleisch nicht in den Handel und muss entsorgt werden. Auch hier die Frage: Wer kann den Jägern erklären, warum ihr Fleisch aus Risikogründen nicht in den Umlauf kommen darf, während Produkte aus Japan mit höherer Belastung legal vertrieben werden?

Jetzt könnte man befürchten, dass pfiffige Händler in Japan günstig radioaktiv belastete Lebensmittel in großen Mengen einkaufen, um sie in Europa auf den Markt zu bringen. Vielleicht ein abwegiger Gedanke, aber dennoch eine Vorstellung, die beunruhigt. „Eine größere radioaktive Belastung der Lebensmittel bedeutet auch ein höheres Risiko einer Erkrankung“, bestätigt Karin Wurzbacher.

 
 

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