Mindestlohn kann kommen

Veröffentlicht am 01.03.2013 in Bundespolitik

Ein guter Tag für die Beschäftigten in Deutschland: Der Bundesrat hat der SPD-geführten Initiative zur Einführung eines flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro zugestimmt! Nur die schwarz-gelb regierten Länder haben geschlossen gegen den Entwurf gestimmt, der endlich wieder für faire Löhne in Deutschland sorgen soll.

Erstmals nach der gewonnenen Landtagswahl in Niedersachsen haben SPD und Grüne ihre neue Gestaltungsmehrheit im Bundesrat genutzt: Ein von acht Ländern unterstützter rot-grüner Antrag zur Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns erhielt am Freitag die Mehrheit der Stimmen. Auch das von einer großen Koalition regierte Saarland unterstützte den Vorstoß. Nun ist der Bundestag – und die dortige schwarz-gelbe Mehrheit – am Zug, den Weg für menschenwürdige Mindestllöhne endlich frei zu machen.

SPD will 8,50 Euro für alle

Die Initiative der rot-grünen Länder will 8,50 Euro für jeden, überall – als einklagbares Recht. Nach Vorstellungen der SPD soll eine zu je einem Drittel von Vertretern der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und der Wissenschaft gebildete Kommission den gesetzlichen Mindestlohn jedes Jahr neu festsetzen. Dabei soll es keine Öffnungsklauseln nach unten geben – 8,50 Euro ist die unterste Grenze. Jeder Mensch soll von seiner Arbeit auch leben können. Das gehört zum Prinzip einer sozialen Marktwirtschaft und ist ein wesentlicher Bestandteil der Würde von Menschen.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) machte am Freitag im Bundesrat zudem klar: Ein Mindestlohn bedeutet „für die Arbeitgeber sehr viel Flexibilität, zugleich hätten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber auch die Sicherheit, dass sie von ihren Löhnen auch leben können“.

Schwarz-Gelb blockiert Mindestlohn

CDU und FDP hätten sich „seit Jahren geweigert, hier einen notwendigen Schritt zu gehen“, so Dreyer weiter. Auch am Freitag stimmten die schwarz-gelb regierten Länder im Bundesrat wieder geschlossen gegen den Antrag – und setzten damit die jahrelange unsoziale Politik der Bundesregierung, aller warmen Worte aus den letzten Wochen zum Trotz, fort.

Mit dieser Blockadehaltung machen Union und FDP wieder einmal klar, dass es ihnen mit ihrer Mindestlohn-Rhetorik der letzten Wochen nicht ernsthaft um die Nöte der Menschen ging – sondern nur um Wahlkampf: „Es ist durchsichtig, dass CDU und FDP vor den Wahlen auf Bundesebene schnell noch ein Thema abräumen, was die Menschen in Deutschland als extrem ungerecht empfinden. Wir werden uns aber nicht mit Lohnuntergrenzen zufrieden geben, die nichts mit einem Mindestlohn zu tun haben“, sagte Dreyer.

Lohnuntergrenze ist kein Mindestlohn

Das in den letzten Wochen von Schwarz-Gelb wortreich vorangebrachte Modell einer sogenannten „Lohnuntergrenze“ soll lediglich für Branchen gelten, in denen es bislang keine Tarifverträge mit entsprechenden Regelungen gibt. Alle tariflich Beschäftigten wären von dieser „Lohnuntergrenze“ ebenso ausgenommen wie Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter. Eine noch nicht näher bestimmte Kommission soll die Grenze je frei festlegen. Mit anderen Worten: Die „Lohnuntergrenze" gilt nicht für jeden und auch nicht überall. Das Ergebnis wäre ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte dieses Vorhaben in der letzten Woche scharf kritisiert und der Union vorgeworfen, mit grob irreführenden Begriffen Etikettenschwindel zu betreiben vorzumachen: „Sie versuchen, die Themen zu neutralisieren.“ Doch eine „Lohnuntergrenze“ ist nun mal kein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn, machte Steinbrück klar.

Deutschland ist Niedriglohnland

Während der Debatte im Bundesrat stellten die Rednerinnen und Redner der CDU wiederholt auf die Bedeutung der Tarifautonomie ab und behaupteten, ein gesetzlicher Mindestlohn hätte negative Auswirkungen auf die Beschäftigungszahlen in Deutschland.

Fakt ist: Ein Fünftel der Beschäftigten in Deutschland arbeitet dem Statistischen Bundesamt zufolge zu Niedriglöhnen, Tendenz seit Jahren steigend. Niedriglohn bedeutet einen Stundenlohn von unter 10,36 Euro. In Ostdeutschland sind es sogar 37 Prozent der Beschäftigten. Besonders betroffen sind Frauen, junge Menschen und Beschäftigte im Dienstleistungsbereich. Der durchschnittliche Stundenlohn geringfügig Beschäftigter in den ostdeutschen Ländern liegt unter 6,50 Euro.

Ob Taxifahrerinnen und -fahrer, Reinigungskräfte oder Beschäftigte in der Gastronomie – 80 Prozent von ihnen arbeiten zu Niedriglöhnen. Friseurinnen und Friseure in Sachsen erhalten laut Hans-Böckler-Stiftung gerade mal 3,82 Euro pro Stunde! Viele von ihnen müssen deshalb zusätzlich zu ihrem Lohn mit staatlicher Hilfe aufstocken.

SPD: Taten statt Worte

Gegen diese Zustände helfen keine warmen Worte und kein Verweis auf die Tarifautonomie. Denn immer mehr Menschen sind gar nicht mehr tarifgebunden beschäftigt, wie der Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) am Freitag im Bundesrat noch einmal betonte.

Und selbst da, wo noch tariflich bezahlt werde, sieht es nach den Worten des Ministers düster aus: In Thüringen seien tarifliche Lohnuntergrenzen von etwa 4,44 Euro in der Floristik oder 6,26 Euro im Bäckerhandwerk vereinbart worden. Angesichts dieser Entwicklungen brauche es „politische Antworten“ und klare gesetzliche Rahmenbedingungen, so Machnig.

Die Initiative der SPD macht klar: Deutschland braucht einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro – für alle und überall. Damit geben die Sozialdemokraten zugleich jenen drei Viertel der Deutschen eine Stimme, die die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns befürworten. Eines gesetzlichen Mindesltohns, wie es ihn in 20 EU-Ländern bereits gibt – in Frankreich sogar seit 1943!

EU: Gute Erfahrungen mit Mindestlohn

In allen diesen Staaten hat die Einführung eines Mindestlohns aktueller Studien zufolge keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung gehabt. 14 dieser Staaten haben zu Jahresbeginn 2013 ihre geltenden Mindestlöhne sogar noch einmal angehoben! Damit liegt das Lohnminimum in Westeuropa der Hans-Böckler-Stiftung zufolge derzeit zwischen 8,65 Euro (Irland) und 10,83 Euro (Luxemburg).